Einzel-GdB 30 für die (Lenden-) Wirbelsäule
Zustand nach Dekompressions-OP
weitgehend eingesteiftes Segment L 5/S 1 und operativ verstärktes Segment L 4/5
rechtsbetonte pseudoradikuläre Lumboischalgie


Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat
27.08.2015
L 6 SB 4445/14
Juris



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Die 1951 geborene Klägerin ist seit 2003 arbeitslos, seit Juni 2011 berentet und zusätzlich geringfügig als Taxifahrerin beschäftigt. Ihre Hobbies sind Betreuung des Hundes, PC-Arbeiten, Lesen und im Sommer Motorboot fahren (Anamnese: Dr. K.). Folgende Operationen sind bei ihr erfolgt: Karpaltunnelsyndrom links Dezember 2004 und rechts Juni 2007. Am 4. November 2011 wurde bei ihr eine Spondylodese LWK 4/5 bei absoluter Spinalkanalstenose und Instabilität der Lendenwirbelsäule (LWS), im Dezember 2012 eine Kataraktoperation mit Nachbehandlung durch Laser wegen Komplikationen und im März 2013 eine Schulterarthroskopie mit subacrominaler Dekompression, Teilsynovektomie, Bizepssehnentendotomie, AC-Gelenkerweiterung und arthroskopischer Refixation/Rekonstruktion bei Rotatorenmanschettenruptur bei Impingement und Bizepssehnentendovaginitis mit deutlicher Partialruptur und AC-Gelenksarthrose rechts durchgeführt.

Zuletzt war bei ihr mit Bescheid vom 5. Juni 2009 aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom und funktionelle Organbeschwerden ein GdB von 20 festgestellt worden.

Am 21. Juni 2011 stellte die Klägerin im Hinblick auf ihre Spinalkanalstenose, ein Schulter-Arm-Syndrom und ihre Hauterkrankung den streitgegenständlichen Verschlimmerungsantrag. Nach Einholung von Befundberichten (u. a. Verdachtsdiagnose auf Granuloma anulare - hartnäckige Hautknötchen - am rechten Unterarm und der rechten Achsel, Hautärztin L.) wurde der GdB mit Bescheid vom 2. Februar 2012, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Z. im Hinblick auf die Hauterkrankung [(Einzel-GdB 30 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) ab Antragstellung auf 30 angehoben, wobei die Funktionsbeeinträchtigungen seitens der Wirbelsäule weiterhin mit 20 bewertet wurden. Der dagegen wegen der behandlungsbedürftigen Hauterkrankung wie der Netzhautablösung eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Februar 2013 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei praktisch nie schmerzfrei. Die Rückenbeschwerden reichten vom Hals bis zur Lendenwirbelsäule, zusätzlich leide sie an der Hauterkrankung.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und die Klägerin anschließend orthopädisch begutachten lassen.

Facharzt für Hautkrankheiten/Allergologe Dr. St. hat über zweimalige Behandlungen der Klägerin am 21. September 2012 und 7. Februar 2013 berichtet. Er habe aufgrund multipler leicht geröteter Herde mit randständigen Knötchen, generalisiert an ausgedehnten Hautarealen, die Diagnose einer Granuloma anulare disseminatum gestellt. Diese sei bereits andernorts durch eine Hautbiopsie gesichert worden. Derzeit erfolge keine Therapie von seiner Seite. Er habe die Klägerin an die Universitäts-Hautklinik U. überwiesen, wo eine topische Kortikoidtherapie eingeleitet und zusätzlich mit UV bestrahlt worden sei. Unter dieser Behandlung sei noch keine Besserung zu verzeichnen. Funktionsbeeinträchtigungen oder eine Behinderung würden dadurch nicht begründet. Allenfalls könnten psychische Beeinträchtigungen aufgrund sichtbarer, kosmetisch störender Hautveränderungen wie bei anderen Hautkrankheiten auch auftreten.

Der Allgemeinmediziner Dr. V., bei dem die Klägerin seit 2004 in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung steht, hat über deutlich gebesserte Wirbelsäulenbeschwerden sowie eine zusätzlich limitierende Schulterproblematik berichtet. Die Hypothyreose werde seit Jahren zufriedenstellend behandelt. Zusätzlich bestehe eine rezidivierende Reflux-Erkrankung sowie eine Cholesterinanämie. Die Sehbeeinträchtigung habe eine Behandlungsbedürftigkeit in der Augenklinik T. begründet. Seiner Einschätzung nach sei durch die Wirbelsäulen-, Schulter- und Augenerkrankung ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt.

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., bei dem die Klägerin wegen des Karpaltunnelsyndroms in Behandlung steht, hat über einen unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund (keine Lähmungen, seitengleiche Muskeleigenreflexe, im Vergleich zu 2010 gebesserte Nervenleitgeschwindigkeit der die Hand versorgenden Nerven) berichtet.

Der Orthopäde Dr. F., den die Klägerin wegen einer klinisch leichten Heberden-Arthrose der rechten Hand aufgesucht hat, hat die dadurch begründete Funktionsbeeinträchtigung nicht als wesentlich und den Einzel-GdB mit 10 bewertet.

Auch der Hautarzt Dr. Sp. hat eine funktionsbeeinträchtigende oder schmerzende Hauterkrankung ausgeschlossen, die Problematik liege eher in der deutlichen lividen Verfärbung der Haut.

Fachärztin für Neurochirurgie Dr. Th., bei der die Klägerin seit 2011 wegen der Nervenwurzelaffektion rechts in Behandlung steht, hat über eine Besserung von Seiten des Rückens berichtet. Die Klägerin sei mobiler und brauche keine Schmerzmedikamente mehr, so dass der Einzel-GdB lediglich 10 betrage.

Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. F. hat nach Rekonstruktion der Supraspinatussehne und Dekompression rechts eine freie Beweglichkeit der Schulter mit lediglich eingeschränkter Retroversion befundet.

Der Augenarzt Dr. B. hat über operierte epiretinale Gliose (Membran-[Häutchen-]bildung) im Bereich der Makula berichtet, welche die Netzhaut unter sich verziehen und verformen. Der Augenbefund sei stabil (Sehfähigkeit links 0,2) und die Klägerin mit einer künstlichen Linse des linken Auges bei Netzhautablösung links versorgt.

Hierauf hat der Beklagte ein Vergleichsangebot, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. unterbreitet, wonach der Gesamt-GdB 40 ab 21. Juni 2011 und 50 ab 23. Juni 2012 betrage. Hierbei hat der Beklagte die Hauterkrankung ebenso wie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30 und die Sehminderung mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen.

Dr. K. ist in seinem auf die Begutachtung vom 20. März 2014 gestützten Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, der Gesamt-GdB sei zeitlich gestaffelt ab 21. Juni 2011 mit 40 und ab 6. Dezember 2012 mit 50 zu begründen, nachdem die Netzhautablösung links und Implantation einer Kunstlinse links im Juni 2012 als weitere Funktionsbeeinträchtigung hinzugetreten sei. Im Bereich der Wirbelsäule seien zwei Abschnitte betroffen, wobei es durch die Dekompression (Foraninotomie L4/L5 beidseits) und durch die Stabilisierung des instabilen Segments L5/S1 gerechtfertigt sei, den GdB im unteren Abschnitt des Bewertungsraumes zur Bemessung vorzuschlagen. Die Funktionsbeeinträchtigung seitens des rechten Schultergelenkes begründe ebenso wie die Gebrauchseinschränkung beider Hände mit operativ behandeltem Karpaltunnel-Syndrom beidseits lediglich weitere Einzel-GdB von 10. Die Polyarthrose der Hände sei ausweislich der radiologischen Verlaufsaufnahme nicht progredient. Es bestünden nur Restbeschwerden nach operiertem Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne Hinweise für eine motorische Ausfallsymptomatik, lediglich die grobe Kraft beim Faustschluss sei abgeschwächt. Eine GdB-relevante Gebrauchsbeeinträchtigung der Schultergelenke sei nicht mehr festzustellen, die Schulter sei vielmehr frei beweglich (Seitwärtsführbarkeit 160 Grad und Vorwärtsführbarkeit 170 Grad), welches sich mit der Einschätzung von Dr. F. decke. Die Klägerin sei allerdings der Ansicht, dass ihr ein GdB von 50 bereits seit Juni 2011 zustehe, weil sie seit diesem Zeitpunkt eine Rente mit Abschlag von 18 Prozent beziehe und dieser nicht gerechtfertigt sei. Ihr Rechtsanwalt verstehe diesen Zusammenhang nicht. Abschließend hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die Hauterkrankung nicht mit äußerlich erkennbaren klinischen Symptomen einhergehe, die Klägerin verweise insoweit auf die abgelaufene Therapie.

Nachdem sich die Klägerin zu dem Begutachtungsergebnis nicht weiter geäußert hat, hat das SG nach vorangegangener Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 16. September 2014, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 25. September 2014, dem Vergleichsvorschlag des Beklagten entsprechend den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab dem 21. Juni 2011 einen GdB von 40 und ab dem 23. Juni 2012 einen GdB von 50 anzuerkennen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, eine wesentliche Änderung sei im Hinblick auf die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule im Anschluss an das überzeugende Gutachten von Dr. K. anzuerkennen und insoweit ein GdB von 30 zu vergeben. Denn im Abschnitt der LWS sei von schweren funktionellen Auswirkungen auszugehen, da die lumbale Spinalkanalstenose therapieresistent sei. Im Bereich Halswirbelsäule (HWS) bestehe eine anhaltende mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung. Demgegenüber seien die Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Schultergelenkes und die Gebrauchseinschränkung beider Hände leicht und nur mit einem GdB von 10 zu veranschlagen. Zusätzlich sei durch die Netzhautablösung ein weiterer GdB von 20 zu vergeben, welches unter den Beteiligten auch unstreitig sei. Die Hauterkrankung sei vom Beklagten mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Klägerin habe insofern auf eine offensichtlich erfolgreiche Therapie verwiesen werden können.

Hiergegen hat die Klägerin am 27. Oktober 2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung sie vorgetragen hat, die Beschwerden seitens der Schulter wie des Karpaltunnelsyndroms seien vor den Operationen so erheblich gewesen, dass sie weit über die anerkannten Einzel-GdB von 10 im Jahre 2013 bzw. 2014 hinausgingen. Auch die Rückenprobleme seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Wegen der Brustwirbelsäulen-(BWS) Erkrankung sei bereits 1964 ein erster achtwöchiger stationärer Aufenthalt erforderlich gewesen. Hinsichtlich der LWS sei die Zeit vor der Operation und bis zur Genesung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Demgegenüber sei sowohl die Netzhautablösung als auch die Hauterkrankung zutreffend bewertet worden.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. September 2014 sowie den Bescheid vom 2. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dass bei ihr ein Gesamt-GdB von 50 ab 21. Juni 2011 anerkannt wird, sowie die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. September 2014 dahingehend abzuändern, dass bei der Klägerin ab 21. Juni 2011 lediglich ein Gesamt-GdB von 30 und ab dem 23. Juni 2012 ein Gesamt-GdB von 40 anzuerkennen ist und die Klage im Übrigen abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung im Hinblick auf die Überbewertung der Hauterkrankung für unzutreffend und hat insoweit Anschlussberufung eingelegt.

Die Erörterungstermine vom 12. März und 28. Mai 2015 sind wegen Verhinderung des klägerischen Bevollmächtigten verlegt worden und schließlich hat die Vorsitzende den Sachverhalt am 18. Juni 2015 mit dem Beklagten erörtert, wobei für die Klägerin, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, niemand erschienen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die zulässige unselbständige - eine eigenständige Berufung wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG unzulässig - Anschlussberufung des Beklagten (vgl. zu den Vorrausetzungen Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 143 Rz. 5 ff.) im Sinne des § 202 des SGG in Verbindung mit § 524 der Zivilprozessordnung (ZPO), die sich auch auf denselben Streitgegenstand wie die Hauptberufung bezieht und für die keine Beschwer erforderlich ist (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 1966 - 2 RU 103/65 - BSGE 24, 247, 249), erweist sich hingegen als begründet. Die unselbständige Anschlussberufung ist nicht eigentlich ein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers an dieses Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen (BSG, Urteil vom 23.06.1998 - B 4 RA 33/97 R – zit. nach Juris). Ausgehend hiervon hat die Klägerin nur in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Neufeststellung des GdB.

Rechtsgrundlage für die beanspruchte Feststellung des GdB mit 50 mit Wirkung ab 21. Juni 2011 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Eine wesentliche Änderung liegt vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, wobei das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 allerdings regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt (vgl. VG, Teil A, Nr. 7 a; BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 26). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 - SozR 1300 § 48 Nr. 29 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R - SozR 4-3100 § 35 Nr. 5 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4). Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223 <225> zum selben Beurteilungszeitpunkt bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung).

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gem. § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris). Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder es erstinstanzlichen Gerichts Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung haben die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin - im Vergleich zur Befundlage, wie sie dem Bescheid vom 5. Juni 2009 zu Grunde gelegen haben - ab 21. Juni 2011 lediglich einen Gesamt-GdB von 30 und ab dem 23. Juni 2012 einen Gesamt-GdB von 40 zur Folge. Der angefochtene Bescheid vom 2. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2013 ist daher ab 23. Juni 2012 teilweise rechtswidrig.

Dies beruht in erster Linie auf der neu hinzugetretenen Augenerkrankung. Wegen der von Augenarzt Dr. B. berichteten Netzhautablösung links und der Implantation einer Kunstlinse links wird in Anbetracht der fortbestehenden reduzierten Sehschärfe von 0,2 nach VG, Teil B Nr. 4.2. ab dem 23. Juni 2012, d.h. der ersten Laseroperation, ein Teil-GdB von 20 begründet. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Auch die festgestellten Einschränkungen im Funktionssystem Wirbelsäule haben sich verschlechtert, waren operationsbedürftig und rechtfertigen ab Juni 2011 einen weiteren Teil-GdB von 30, was der Senat den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. K. entnimmt.

Nach den VG, Teil B Nr. 18.9 sind Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30, mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten.

Ausgehend hiervon sind lediglich schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, nämlich der LWS belegt, so dass es bei mittelgradigen Einschränkungen der HWS gerechtfertigt ist, für die Wirbelsäulenschäden nur einen Teil-GdB von 30 anzusetzen. Seitens der BWS liegt bei Rundrücken nach der von Dr. K. angefertigten Röntgenaufnahme nur der Hinweis auf einen abgelaufenen thorakalen Morbus Scheuermann vor. Allein dieses bildgebende Verfahren begründet aber bei im Übrigen fehlenden richtungsweisenden Befunden, insbesondere einem Schober`schen Maß im Altersnormbereich von 30/33 cm ohne intercostale neuralgieforme Ausstrahlungen, seitens der BWS nicht die Annahme, dass auch dieser Wirbelsäulenabschnitt von Funktionsbeeinträchtigungen betroffen ist (VG, Teil B Nr. 18.1). Hinsichtlich der HWS hat sich die Beweglichkeit der Seitneigung zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. K. gegenüber dem Befund der Reha-Klinik 2014 leicht gebessert, allein die anhaltenden Myogelosen und Myotendinosen rechtfertigen die Annahme von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt. Die operative Behandlung der Spinalkanalstenose L 4/5 in 2011 hat zu einer subjektiven Besserung der Beschwerden geführt, die Klägerin hat keine Missempfindungen der Füße und auch keine in das rechte Bein ausstrahlenden Schmerzen mehr. Soweit die Klägerin meint, die Befunde vor der Operationen rechtfertigten den Bewertungsrahmen nach oben hin auszuschöpfen, so übersieht sie, dass nur für den Abschnitt der LWS radiologische und klinische Dokumentationen ab 2005 vorliegen. Diese belegen zwar eine relative Besserung der LWS nach Dekompression L 4/5 und Stabilisierung L 5/S 1. Das mittelgradig herabgesetzte Ott`sche Zeichen von 10/13 cm ist auf das weitgehend eingesteifte Segment L 5/S 1 wie das operativ verstärkte Segment L 4/5 zurückzuführen. Die seit 2005 dokumentierte rechtsbetonte pseudoradikuläre Lumboischalgie rechtfertigt, abweichend von der Einschätzung von Dr. Th. von einer schweren funktionellen Auswirkung, nur in diesem einen Wirbelsäulenabschnitt auszugehen.

Auch in Anbetracht der mitgeteilten milden medikamentösen Schmerzmedikation (Urteil des Senats vom 21. April 2015 - L 6 SB 3121/14 – Juris) bedarfsweise von 75 mg Diclofenac, Novalminsulfon und Novalgin, die vom Sachverständigen Dr. K. zutreffend in eine die Stufe I eingeordnet wird, ist eine weitere Anhebung des GdB wegen Schmerzen nicht gerechtfertigt. Denn nach VG, Teil A Nr 2j VG berücksichtigen die in der Tabelle angegebenen Werte bereits die üblicherweise vorhandenen Schmerzen und auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände.

Die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin bedingen jeweils nur einen Teil-GdB von 10 bzw. sind nicht GdB-relevant.

Dies betrifft insbesondere die Funktionseinschränkung seitens der Hauterkrankung, die bislang fälschlicherweise mit einem Teil-GdB von 20 bewertet worden ist. Diese war zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. K. nicht äußerlich erkennbar, hat aber auch seit 2011 nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen geführt, was der Senat den übereinstimmenden sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Hautärzte Dr. St. und Dr. Sp. entnimmt und angesichts der gestellten Diagnose einer Granuloma anulare disseminatum auch nicht anders zu erwarten ist, die allenfalls bei sichtbaren kosmetisch störenden Hautveränderungen zu psychischen Beeinträchtigungen führen kann. Der Senat ist auch nicht gehindert, den Einzel-GdB, den der Beklagte noch für die vorgebliche Funktionseinschränkung vergeben hat, anders, d.h. mit maximal 10 zu bewerten, denn der Einzel-GdB erwächst nicht in Bestandskraft. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl BSGE 82, 176 = SozR 3-3870 § 4 Nr 24). So genannte Einzel-GdB, die den Grad der Behinderung separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung (ständige Rechtsprechung, so zuletzt BSG, Beschluss vom 1. Juni 2015 - B 9 SB 10/15 B - Juris; Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 SGB IX Rz. 10).

Die operative Behandlung des Impingement-Syndroms der Schulter verbunden mit einem Supraspinatussehneneinriss hat zu einer auch aus Sicht der Klägerin guten Beweglichkeit des Gelenks geführt. Diese Selbsteinschätzung wird gestützt durch die anlässlich der Untersuchung bei Dr. K. gezeigten Bewegungsmaße und den fehlenden typischen Reizzuständen, so dass nach VG Teil B Nr. 18.3 bei fehlender Gebrauchsbeeinträchtigung kein Teil-GdB von 10 gerechtfertigt ist. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass die Beweglichkeit vor der Operation schlechter war, so mag dies sein, ist aber nicht durch entsprechende Befunde nachgewiesen. Der einzige Bericht vor der Operation der W.-Z.-Kliniken über die Untersuchung von Februar 2011 belegt nur eine Impingementsymtomatik und eine AC-Gelenksarthrose mit der Erforderlichkeit medikamentöser und krankengymnastischer Behandlung.

Für das CT-Syndrom beider Hände gilt, dass diese nur einen Teil-GdB von 10 begründen, da nach nachvollziehbarer Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. nur eine leichte Funktionseinschränkung bei reizlosen Narben und fehlenden Sensibilitätsstörungen nach VG, Teil B Nr. 18.3 besteht. Die Herbenden-Bouchard-Polyarthrose der Hände führt nicht zu einer Anhebung des GdB, weil keine Beeinträchtigung der Greiffunktion festzustellen ist; diese ist vielmehr erhalten, wie dies auch Dr. F. so gesehen hat.

Die Hüft- und Kniegelenke der Klägerin zeigen keine Pathologika, sondern jeweils eine seitengleiche freie Funktion ohne Hinweis auf Meniskus- oder Kapselbandschädigungen, bedingen also nach VG, Teil B Nr. 18.4. keine Teil-GdB. Die Hypothyreose wird nach zeugenschaftlicher Auskunft von Allgemeinmediziner Dr. V. seit Jahren zufriedenstellend behandelt und begründet daher nach VG, Teil B Nr. 15.6. keinen weiteren Teil-GdB. Gleiches gilt für die rezidivierende Reflux-Erkrankung (VG, Teil B Nr. 10.1.), da die Beschwerden nicht als anhaltend geschildert werden, sowie die Cholesterinanämie ohne mitgeteilte Folgeschäden.

Liegen, wie im Falle der Klägerin, mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden (vgl. hierzu und zum Folgenden VG, Teil A, Nr. 3 a bis d). Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsstörung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn paarige Gliedmaßen oder Organe betroffen sind. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss deren Auswirkungen aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R - Juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - Juris).

Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet es sich nicht einen Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern vorzunehmen (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris). Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind (vgl. BSG Urteil vom 30. September 2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10). Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen (Teil-GdB 30 für die Wirbelsäule und ab 23. Juni 2012 Teil-GdB 20 für die Augenerkrankung) insgesamt noch nicht mit Gesundheitsschäden zu vergleichen, deren Funktionsbeeinträchtigungen eine Schwerbehinderung mit einem Gesamt-GdB von 50 begründen, sondern von 30 ab 21. Juni 2011 und von 40 ab 23. Juni 2012.

Die Anschlussberufung des Beklagten, mit der er sich gegen eine über die Feststellung eines GdB von 40 hinausgehende Verpflichtung gewandt hat, war daher erfolgreich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Auch wenn die Klägerin bei angestrebtem GdB von 50 und festgestelltem GdB von 40 statt 30 rechnerisch zur Hälfte erfolgreich war, ist eine Übernahme ihrer außergerichtlichen Kosten zur Hälfte gleichwohl nicht gerechtfertigt, da nach st. Rspr. des Senats der hier nicht erreichten Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) höhere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (Urteil des Senats vom 25. Juni 2015 - L 6 SB 5330/14).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.



Versorgungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung